Schulen dürfen und müssen sich wieder stärker politisch engagieren, sagt Dr. Helle Becker im Interview mit OPENION beim Auftakttreffen am 5. September in Soest, Nordrhein-Westfalen. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen biete hierfür großes Potential. Becker ist Geschäftsführerin von Transfer für Bildung e.V. und Expertin für die Themen politische und kulturelle Jugend- und Erwachsenenbildung, Zusammenarbeit unterschiedlicher Bildungssektoren und Qualitätsentwicklung. Mit OPENION hat sie über Herausforderungen und Gelingensbedingungen von Kooperationen im Bereich Demokratiebildung gesprochen.
Aktuell stellen diffuse Anforderungen und Überforderungen seitens der Politik die größte Aufgabe in der Kooperationsarbeit dar. Als Reaktion auf die gesellschaftliche und politische Situation werde von Schulen und außerschulischen Bildungspartnern zu plötzlich zu viel erwartet. In der Praxis hat sich aber über lange Jahre hinweg gezeigt, dass beispielsweise Präventivmaßnahmen nicht über Nacht greifen und nachhaltig verankert werden. So könnten auch nicht über Nacht alle zu Demokratinnen und Demokraten werden, so Becker. Zudem sei es wichtig, dass die durch Begriffsdiskussionen und Missverständnisse herbeigeführte Dichotomie zwischen Demokratiepädagogik und politischer Bildung aufgelöst werde, um Unsicherheiten und Verwirrungen bei der Umsetzung abzubauen.
Unsicherheiten macht Dr. Helle Becker aktuell auch bei vielen Schulen aus. Obgleich es in Deutschland lange und intensive reformpädagogische Traditionen gebe, die es Schulen mit all ihren Beteiligten erlaubt als Akteure im politischen Raum zu agieren, halten sich Schulen stärker zurück als früher, wenn es darum geht politisch zu werden. An dieser Stelle liege das Potential von Kooperationen und multiprofessionellen Akteuren, auch über einzelne Projekte hinaus eine demokratische Kultur zu entwickeln und zu verfestigen. Sie müssen unterstützt und ermutigt werden, sich demokratisch und politisch zu positionieren und zu engagieren.
Als die drei wichtigsten Gelingensbedingungen für Kooperationen nennt Becker Haltung, Ressourcenmanagement und Kompetenzerwerb. Sie schlägt vor das Zeitmanagement für Lehrkräfte zu verbessern und Fortbildungen zu Kooperationskompetenzen fest zu etablieren.
OPENION leiste einen Beitrag zum Gelingen guter Kooperationen, indem es die Aktivitäten im Bereich Demokratiebildung sichtbar macht. So wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Angebote zum Austausch und zur Vernetzung es gibt. Durch dieses Informationsangebot kann Vorbehalten gegenüber Projektkooperationen entgegengewirkt werden.
In die Zukunft von Kooperationen im Bereich Demokratiebildung blickt Dr. Helle Becker positiv. Sie kennt bereits viele Schulen, die gut vernetzt sind und im politischen Raum als Akteure mitwirken, um den Kindern und Jugendlichen so einen hohen Lern- und Erfahrungsaustausch im Bereich demokratischer Bildung und Teilhabe zu bieten. Wichtig und wünschenswert sei aber auch, dass die außerschulischen Einrichtungen weiterhin eigenständig wirken können und nicht zu „Dienstleistern für Schulen“ werden.