Jugendliche in ihren Selbstwirksamkeitserfahrungen stärken und sie in demokratische Teilhabeprozesse einbeziehen – das ist das Ziel des Projektverbunds „Konzept Jugend Aktiv“. Ein Blick auf die Projektarbeit zeigt, warum es dabei mehr auf das Menschliche als auf Zahlen ankommt.
„Demokratie ist immer noch etwas für Privilegierte“
So drückt es Johanna Hallbauer aus, die zusammen mit Elisa Basedow Mitglied im Verein Power On ist. Die Initiatorinnen des Projektes „Konzept Jugend Aktiv” haben 2019 den ersten Projektdurchlauf mit Jugendlichen der Regionalen Schule in Teterow begleitet. Dabei kristallisierte sich schnell die Erkenntnis heraus, dass es oftmals vom direkten Umfeld, den Eltern und Freunden abhängig ist, welches Selbstverständnis die Jugendlichen von ihrer eigenen Rolle in der Mitgestaltung der Gesellschaft haben.
Das Projekt „Konzept Jugend Aktiv“ möchte alle mit ins Boot holen. Das Ziel war es, den teilnehmenden Jugendlichen in verschiedenen Modulen und Mikroprojektcoachings ihre Selbstwirksamkeit als aktive Gestaltende vor Augen zu führen. In der Lebensrealität fühlen sich die Teterower Jugendlichen ausgeschlossen von demokratischen Prozessen. Sie stehen vor konkreten Herausforderungen, die mit der Überwindung weiter Wege, der Anhaftung an das Elternhaus und ihre sozialen Gruppen bestehen. Die Motivation dazu, etwas Neues auszuprobieren, ist oft gering.
Elisa und Johanna wollen in jungen Menschen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder Mensch unabhängig von lokalen Grenzen Teil von etwas ist, das er aktiv mitgestalten kann. „Die großen Visionen sind doch überall gleich“, lacht Johanna, die extra für dieses Projekt von Bonn nach Teterow gezogen ist. „Wir haben in der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen gespürt, dass wir oft die Einzigen sind, die ihnen zuhören und von denen sie aufbauende und motivierende Worte hören. Sie haben in den meisten Fällen noch nie bei einem Projekt mitgemacht oder sich für eine Sache engagiert.“
Das Selbstverständnis als demokratische Bürgerinnen und Bürger wecken
Nach der Vorstellung des Projektes an der Regionalen Schule in Teterow haben sich sieben Teilnehmer und Teilnehmerinnen angemeldet. „Wir haben die Flexibilität der Jugendlichen etwas unterschätzt“, gesteht Johanna in unserem Gespräch. „Ein ganzes Wochenende für etwas zu ‚opfern‘, mit dem man sich zuvor noch gar nicht beschäftigt hat, ist eine große Herausforderung für 13- bis 16-Jährige.” Das Projekt wurde von einem Fragebogen begleitet. In der Auswertung zeigte sich, dass bei vielen Jugendlichen der Wille da ist, aktiv zu werden, es aber an Selbstvertrauen mangelt.
Insgesamt waren fünf Kern-Wochenenden geplant, an denen feste Treffen stattfinden sollten. Die Absprachen und Terminfindungen erfolgten meist spontan über telefonische oder schriftliche Absprachen. Die ersten beiden Wochenenden dienten dem Kennenlernen und ersten Gesprächen über das Thema Demokratie, über die Erwartungen und Wünsche, die mit der Projektteilnahme verbunden waren. Im Anschluss wurden die Termine flexibler gestaltet. Die Jugendlichen besuchten beispielsweise eine Bürgersprechstunde im Rathaus, nahmen an einem Netzwerktreffen in Berlin teil oder saßen gemütlich plaudernd um ein Lagerfeuer auf einem Gutshof in Belitz herum. Der innereuropäische kulturelle Austausch wurde durch den Besuch einer Projektgruppe aus Tansania angestoßen, die neue und wichtige Impulse in die Projektarbeit eingebracht hat.
Augen auf! Eine Ausstellung über den Dialog der Generationen
Im Rahmen der Projektarbeit planten Elisa und Johanna eine Ausstellung unter dem Arbeitstitel „Augen auf“, die zeigen sollte, wie wichtig insbesondere im ländlichen Raum der Dialog der Generationen ist. Die Jugendlichen sollten eine kreative Antwort auf die Frage finden: Was ist euch so wichtig, dass ihr es anderen Menschen mitteilen wollt? Die Ergebnisse wurden dann einen Tag lang in den Räumen der Schule präsentiert und zeigten, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an eine Aufgabenstellung sind. Eine Mutter, die das Werk ihres Kindes betrachtete, war zu Tränen gerührt. Sie hatte ihre Tochter bis dato noch nie so wahrgenommen. Auch das kann ein Ergebnis der Projektarbeit sein – den Austausch innerhalb der Familien anzuregen, der im Alltag so oft untergeht.
Der Erfolg des Projektes ist nicht von der Teilnehmendenzahl abhängig
Elisa und Johanna betonen, wie wertvoll die Unterstützung von OPENION in den vergangenen Monaten gewesen sei. „Es ist toll, dass es Förderungen für Projekte gibt, die noch nicht ausprobiert wurden und die nicht von Profis geleitet werden“, sagt Johanna. „Uns wurde hier ein großes Vertrauen entgegengebracht. Toll ist vor allem die Möglichkeit, auch über diese Förderung hinaus weiter machen zu können, denn das Projekt geht Ende des Jahres in eine zweite Runde, in der wir von den Erfahrungen des ersten Projektdurchlaufes profitieren.“ So müssen beispielsweise die Eltern zu Beginn des Projektes noch stärker mit einbezogen werden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass viele Erziehungsberechtigte skeptisch waren in Bezug auf den christlichen Hintergrund des Vereines Power On, der bei diesem Projekt jedoch gar kein Thema war. „Das Projekt setzt eine Partnerschaft auf vielen Ebenen voraus und es müssen auch die Eltern mit ins Boot geholt werden. Denn schließlich sind die meisten Jugendlichen noch von den Meinungen und Erlaubnissen ihrer Eltern abhängig.“
„Besonders wichtig war uns der ideelle Teil der Förderung“, ergänzt Elisa. „Wir haben nicht nur das Geld bekommen, sondern beispielsweise auch einen Prozessmoderator, der uns bei den teaminternen Herausforderungen unterstützt hat. Das Menschliche ist so wichtig und im Zweifel viel mehr wert, als die Fördergelder. Wir hatten die Freiheit, einfach vieles ausprobieren zu können. Auch wenn einige Arbeiten nicht zu Ende gebracht wurden, war es trotzdem ein voller Erfolg. Die Jugendlichen haben dann immerhin die größte Hürde überwunden, etwas anzufangen und einen Lernprozess zu beginnen.“ Zu den Erfolgen gehört auch, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erfahren haben, dass es jemanden gibt, den ihre Meinung interessiert, die Erkenntnis, dass sie überhaupt eine Meinung haben, die gehört wird und die wichtig ist.
Die konkrete Teilnehmendenzahl stand bei dem „Konzept Jugend Aktiv“ nie im Vordergrund, sondern das Dialogische und die Projektkultur. Oftmals ist im Gespräch mit nur drei Jugendlichen viel mehr passiert, als in der vollständigen Gruppe, bestätigen beide Projektverantwortlichen. „Wir müssen weg von den Zahlen“, sagt Elisa zum Abschluss. „Dann erst wird es offen.“
Text: Katrin Winkler