Kerstin Hübner von der BKJ hält bei einem OPENION-Netzwerktreffen einen Vortrag
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Ein Interview mit Kooperationsexpertin Kerstin Hübner über Chancen und Fallstricke von Kooperationen in der Kinder- und Jugendbildung

Durch die Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Partnern entstehen viele Möglichkeiten. Im Ganztag, in Projektseminaren, aber auch im Regelunterricht können Schulen über die Kooperation mit kulturellen Vereinen, Jugendclubs, Gedenkstätten o.ä. neue Impulse setzen und andere Methoden erproben. OPENION fördert deshalb bundesweit über 200 solcher Kooperationen aus Schulen und außerschulischen Organisationen, die gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Projekte zum Thema Demokratiebildung umsetzen. Dass Kooperationen zwischen so unterschiedlichen Organisationsformen gelingen und einen echten Mehrwert bieten, ist allerdings nicht selbstverständlich.

Kerstin Hübner ist Leiterin des Arbeitsbereichs Kooperationen und Bildungslandschaften der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und Mitautorin der Arbeitshilfe „Bündnisse und Kooperationen für Kulturelle Bildung – Eine Starthilfe“. Im Interview mit OPENION verrät sie, worauf es ankommt.

 

OPENION:

Was macht für Sie eine gute Kooperation aus und welche drei Gelingensbedingungen tragen dazu bei?

Kerstin Hübner:

Eine gute Kooperation ist wie eine gute Beziehung. Und wie in Beziehungen auch geht es vor allem um die gegenseitige Anerkennung des*der anderen und um eine offene und transparente Kommunikation. Es geht auch darum, sich aufeinander einzulassen und aufeinander verlassen zu können. Diese drei Bedingungen werden oft mit „Haltung“ übersetzt.

Damit Kooperationen gelingen, braucht es aber auch organisatorische Rahmenbedingungen: Zeit und Raum, Verbindlichkeiten und Planungssicherheit, Vereinbarungen zu Entscheidungswegen und Rollen. Das ist vielleicht so eine Art Ehevertrag.

Und – um im Bild der Beziehung zu bleiben – Kooperation kann nur funktionieren, wenn sie beiden Partnern wichtig ist, wenn es also um etwas geht. Hat man also nicht nur Schnittmengen, sondern gemeinsame Interessen und Ziele?

Kooperationen sind Beziehungsarbeit. Anders als im Privaten sollten sie aber nicht dem Motto folgen, dass sich gleich und gleich gern gesellt. Stärker gilt für Kooperationen: Gegensätze ziehen sich an! Das hat vor allem den Grund, dass Partner von der Zusammenarbeit vor allem dann profitieren, wenn sie Kompetenzen und Ressourcen gewinnen, die sie selbst nicht haben.

OPENION:

Ist eine Kooperation immer ein Mehrwert? Welche Fragen sollte man sich stellen, bevor man eine Kooperation eingeht?

Kerstin Hübner:

Aus einer Kooperation entsteht nicht per se ein Mehrwert. Jeder Partner hat bestimmt eine Vorstellung davon, was er sich von einer Kooperation verspricht: sind es zusätzliche Kompetenzen oder Ressourcen, Ideen oder Impulse, ist es Entlastung oder Öffentlichkeit? Dieser vorgestellte Mehrwert ist ein enorm wichtiger Maßstab für den Erfolg von Kooperationen. Denn Partner müssen in Kooperationen oft sehr viel investieren, z.B. Zeit und auch weitere Ressourcen. Sie müssen sich auf Veränderungsprozesse einlassen und Spannungen aushalten. Das fordert die Menschen und Organisationen sehr stark heraus.

Wenn sich diese Investitionen nicht lohnen, wenn also der Nutzen nicht größer ist als der Aufwand bzw. wenn das Ergebnis nicht in einem angemessenen Verhältnis steht, dann sind Kooperationen oft auch nicht sinnvoll. Und das trifft auf alle Seiten zu: Alle Partner müssen profitieren! Und auch investieren. Denn einseitige Lasten innerhalb von Kooperationen führen zu Frustrationen.

Das ist die institutionelle Perspektive. Nicht zu vergessen ist, dass jede Kooperation auch dahingehend zu prüfen ist, ob sie für die Teilnehmenden einen Mehrwert bringt: Wird das Angebot dadurch interessanter? Werden andere Erfahrungen möglich?

OPENION:

Was tun, wenn die Motivation sinkt oder Konflikte aufkommen?

Kerstin Hübner:

Motivationslöcher nach der Anfangseuphorie sind ganz normal. Sie sind sogar notwendig und sollten als Gesundungsprozess genutzt werden, indem sich in dieser Phase die Kooperation „sortiert“. Oft kommen die Partner hier an die entscheidenden Fragen bzw. zu verdeckten Motivationen: Was wollen wir eigentlich? Was sind wir bereit zu geben? Passen wir wirklich zusammen? Entweder die Partner raufen sich zusammen oder es kommt zum Konflikt oder die Energie verpufft nachhaltig. Zunächst hilft hier ein Forschen, worin die sinkende Motivation oder ein Konflikt begründet liegen. Das kann sehr unterschiedlich sein: Wie schon beschrieben, ist es möglich, dass das Engagement sehr unterschiedlich ist oder die Partner sich nicht an Vereinbarungen halten. Möglich ist auch, dass sich die Partner nicht ausreichend kennen, d.h. nicht beachten, unter welchen Bedingungen und welcher „Systemlogik“ der jeweils andere Partner arbeitet. Daraus ergeben sich oft Missverständnisse oder sogar Erwartungen, die schlichtweg nicht erfüllt werden können.

Regel Nummer 1: Solche Entwicklungen, die oft als Ungerechtigkeiten wahrgenommen werden, müssen unbedingt angesprochen werden. Und hier kommt es natürlich nicht nur auf Sachargumente, sondern ebenso auf den Ton an. Feedbackregeln einzuhalten, ist in jedem Fall hilfreich.

Womit unmittelbar Regel Nummer 2 verbunden ist: Schauen Sie nicht nur auf Ihren Partner, schauen Sie auch auf sich! Ein stetes Reflektieren des eigenen Handelns gehört dazu. Laden Sie hier auch Ihren Partner ein, Ihnen eine „Sicht von außen“ zu geben. Und nehmen Sie sich das Feedback mit, verfallen Sie nicht sofort in (Verteidigungs-)Reflexe!

Regel Nummer 3: Gerade bei der Kooperation unterschiedlicher Systeme, wie z.B. zwischen Schulen und außerschulischen Trägern, bei denen Konflikte bereits systemisch angelegt sind, bewährt sich die Unterstützung durch Mittlerpersonen, wie sie inzwischen in Kommunen (Bildungsbüros) oder bei Verbänden zu finden sind.

OPENION:

Wie lassen sich Kooperationen zwischen einzelnen Personen auch auf institutioneller Ebene festigen und damit langfristig verstetigen?

Kerstin Hübner:

Meistens steht hinter einer Kooperation zunächst das Engagement und Interesse einzelner Menschen, die quasi stellvertretend erproben, ob man zueinander passt bzw. was man miteinander gewinnt. Wenn es dann darum geht, langfristige Kooperationen anzugehen, ergeben sich daraus organisatorische und strategische Fragen, die auf die Leitungsebene gehören. Da geht es dann um Entscheidungen, welche Verbindlichkeiten auf Dauer geregelt oder welche Ressourcen verlässlich zur Verfügung gestellt werden können und es müssen Zuständigkeiten und Ansprechpartner*innen benannt werden. Das sollte zum einen verbindlich in Verträgen zwischen Kooperationspartnern festgehalten werden. Dies braucht zum anderen aber auch einen entsprechenden Diskussionsraum in den Gremien und Arbeitsgruppen der einzelnen Partner bis dahin, dass sich „Kooperation“ in den Leitbildern und Konzepten widerspiegeln sollte. Letzteres greift die eingangs erwähnte Bedeutung der Haltung nochmals auf – im Sinne einer Kooperationskultur, die sich im Arbeitsalltag zeigt. Dabei können unter anderem multiprofessionelle Perspektiven, gemeinsame Fortbildungen, Supervision und Organisationsentwicklungsprozesse helfen.

OPENION:

Inwiefern ergänzen sich aus Ihrer Sicht kulturelle Bildung und Demokratiebildung?

Kerstin Hübner:

Kulturelle Bildungsprozesse, die den Prinzipien der Jugendarbeit folgen, zeichnen sich durch Gruppenprozesse des Aushandelns aus, Partizipation ist dabei eine wichtige Grundlage. Es wäre aber verkürzt, „Demokratiebildung“ nur als kulturpädagogisches Prinzip, quasi als Methode, zu verstehen.

Eben weil Kulturprojekte dieses Aushandeln ermöglichen, weil sie nicht nur Perspektivwechsel ermöglichen, sondern diese regelrecht einfordern, weil sie persönliche und gesellschaftspolitische Fragen aufwerfen und nach Antworten forschen, weil sie Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben und den öffentlichen Raum suchen, weil in ihnen Werte verhandelt werden, wirken sie politisch. Auch das gilt natürlich nicht per se, sondern setzt voraus, dass es entsprechende Räume der Reflexion und Positionierung gibt und dass junge Menschen in den Projekten selbstwirksam sind, d.h. die Erfahrung sammeln, dass ihr Handeln tatsächlich etwas bewirken kann. Sie sehen, die Schnittmenge zur Demokratiebildung ist groß.