Bei der Podiumsdiskussion werden Ergebnisse des OPENION-Projektverbunds in Dessau-Roßlau debattiert.
Bild: DKJS / Kathleen Schkade

„Politikverdrossenheit? – Nicht mit uns!“

Bei einer Podiumsdiskussion mit geladenen Politikerinnen und Politikern standen die Ergebnisse des Projekts „Demokratie auf dem Bürgersteig in Dessau-Roßlau“ im Fokus.

Am Abend des 30. Septembers füllte sich die Marienkirche in Dessau-Roßlau mit interessierten, überwiegend jungen Menschen, die an der Podiumsdiskussion „Politikverdrossenheit? Nicht mit uns!“ teilnahmen. Eingeladen zur Diskussion hatte der OPENION-Projektverbund des Gymnasiums Philantropinum in Dessau-Roßlau, der im Vorfeld eine umfangreiche Umfrage durchgeführt hatte.

Einmal wöchentlich trafen sich im vergangenen Schuljahr elf Schüler und Schülerinnen der achten bis zwölften Klasse in der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule für Courage“, um sich über Politik und gesellschaftliche Perspektiven auszutauschen. Hier entstand auch die Idee, sich aktiv für Dessau-Roßlau einzusetzen. Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine alternde Stadt handelt, wollten sie gerade den jungen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Gästen der Stadt eine Stimme geben zu aktuellen Debatten über das politische Zeitgeschehen.

So wurde eine wissenschaftliche Umfrage konzipiert und von März bis September 2019 über 400 Menschen zu ihrer Einstellung zu Demokratie und dem Grundgesetz, aber auch zum kulturellen Erleben und der Zukunft der Region befragt. Durch die Befragungen auf dem Bürgersteig Dessau-Roßlaus wurde deutlich, dass ein Großteil der Befragten zwar Kritik an der gegenwärtigen Politik übt, jedoch mit den demokratischen Prozessen und Privilegien einer Demokratie mehrheitlich zufrieden ist. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen gab an, sich wenig bis gar nicht für Politik zu interessieren, allerdings würde sich jede*r Zweite bei Bedarf für spezifische Themen engagieren, am liebsten digital: Umweltschutz, Bildung und die EU-Urheberrechtsreform wurden dabei am häufigsten genannt.

Die Ergebnisse der Umfrage bieten reichlich Anlass zur Debatte

Am Abend des 30. Septembers diskutierten Sepp Müller (MdB, CDU), Cornelia Lüddemann (MdL, Grüne), Dr. Tamara Zieschang (Staatssekretärin, CDU), der Oberbürgermeister Peter Kuras (FDP) sowie Katja Bielau (Schülerin des Gymnasiums Philantropinum) auf dem Podium, die Moderation führte Thomas Bille (MDR Kultur). Kontrovers wurde beispielsweise die Nutzung der sozialen Medien durch Parteien besprochen. Während Herr Müller verstärkt auf die Nutzung sozialer Medien setzt, um junge Wähler zu erreichen und sich auch vorstellen kann, dass die CDU zukünftig TikTok-Videos online stellt, fragt die Jugendliche Katja Bilau „Glauben Sie nicht, dass Sie dadurch Ihre Glaubwürdigkeit verlieren?“. Auch wenn fast alle Jugendlichen soziale Medien nutzen, hieße das nicht, dass sie diese auch wirklich ernst nehmen und diesen vertrauen (laut Umfrage tun dies lediglich ca. 30% der Befragten). Die Jugendlichen nutzen sehr wohl auch klassische Medien, heißt es aus dem Publikum.

Rege diskutiert wurde auch über die Frage, ob Jugendliche politikverdrossen sind, und was eigentlich mit dem Begriff gemeint ist. Dr. Tamara Zieschau verwies darauf, dass eine sinkende Wahlbeteiligung nicht mit Politikverdrossenheit gleichzusetzen sei, da sich Menschen zunehmend an Themen und weniger an Parteien orientieren. Um die Meinungen junger Menschen besser abzubilden, sprachen sich Cornelia Lüddemann sowie mehrere junge Menschen aus dem Publikum für eine Herabsetzung des Wahlalters aus. Eine junge Stimme aus dem Publikum stellte die Frage, woher die Annahme komme, dass junge Menschen noch nicht reif genug seien, um politische Prozesse zu verstehen. Wieso dürfen sie erst mit 18 Jahren wählen, aber bereits mit 14 Jahren Mitglied der Jugendorganisationen der Parteien werden? Herr Müller wiederum sieht aufgrund der geringen Wahlbeteiligung junger Menschen, beispielsweise beim Brexit in Großbritannien, keine Veranlassung zur Herabsetzung des Wahlalters.

Umrahmt wurde die Diskussion vom fantastischen Schulchor des Philantropinums, der mit Liedern wie „Freedom“ und „Say something“ thematisch an die Themen der Veranstaltung anknüpfte und das Publikum berührte. Zum Ende der Veranstaltung erhielten alle Jugendlichen des Projektes „Demokratie auf dem Bürgersteig von Dessau-Roßlau“ einen tosenden Applaus. Ethik- und Sozialkundelehrer Alexander Hesse sowie Schulsozialarbeiterin Sabine Knabe, unter deren Leitung das Projekt erfolgreich umgesetzt wurde, überreichten ihnen zudem Urkunden für ihr Engagement.

Mehr Informationen zum Projektverbund sowie die komplette Auswertung der Bürgersteig-Befragungen finden Sie hier.

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