Josefine Birkholz - stellv. Vorsitzende des Landesschülerrates Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Max Raska

Josefine Birkholz erzählt im Interview von ihrem Engagement als mitbestimmende Jugendliche

Als Schülersprecherin und stellvertretende Vorsitzende des Landesschülerrates Mecklenburg-Vorpommern gestaltet Josefine Birkholz ihren Schulalltag und Entwicklungen in der Bildungspolitik aktiv mit. Im Gespräch mit OPENION erläutert sie, warum Teilhabe für sie so wichtig ist und welchen Möglichkeiten und Herausforderungen sie in ihrer Arbeit begegnet.

 

OPENION:

Was hat dich dazu gebracht, in der Schülervertretung aktiv zu werden? Gab es eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Menschen, die dich motiviert haben?

Josefine Birkholz:

Ich hatte schon immer einen stark ausgeprägten Drang nach Gerechtigkeit und das hat sich auch in der Schule gezeigt. Mir war es schon damals wichtig, dass meine Mitschülerinnen und Mitschüler und ich von den Lehrerkräften ernst genommen und in Entscheidungen miteinbezogen werden. In der 7. Klasse bin ich dann in den Schülerrat meiner Schule eingetreten, weil ich sehr unzufrieden mit dem System war, in dem wir jungen Menschen lernen müssen. So sah für mich keine Persönlichkeitsentwicklung, nachhaltige Wissensvermittlung und Vorbereitung auf das Leben aus. Ich habe dann aber recht schnell bemerkt, dass es mir nicht reicht nur an schulinternen Entscheidungen mitzuwirken. Zu dem Zeitpunkt hat sich unsere Schule auf die Fahnen geschrieben globales Lernen zu fördern und da habe ich dann viel mit unserer damaligen Schülersprecherin zusammengearbeitet, die auch Vorsitzende des Landesschülerrates MV war. Sie fand gut, was ich gemacht habe und hat mich enorm gefördert und darauf vorbereitet ihre Ämter zu übernehmen. Jetzt bin ich selbst Schülersprecherin und stellevertretende Vorsitzende des Landesschülerrates MV. Ich hätte damals nie gedacht, dass es so viele Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler gibt sich zu beteiligen und seinen Schulalltag aktiv mitzugestalten. Ich würde heute nicht das machen, was ich jetzt mache, wenn sie nicht gewesen wäre und mich so unterstützt hätte. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

OPENION:

Was sind die Themen, die ihr als SchülervertreterInnen im vergangenen Schuljahr bearbeitet habt und wie seid ihr dabei vorgegangen? Wo konntet ihr die Interessen der Schülerinnen und Schüler besonders erfolgreich vertreten und in welchen Bereichen wünschst du dir mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten?

Josefine Birkholz:

In meiner Schule konnten wir im letzten Schuljahr einen Schulgarten etablieren und den Essensanbieter wechseln. Wir haben ein Sommerfest organisiert und mit den Lehrerinnen und Lehrern Lösungen gefunden, damit wir am Freitag im Rahmen der Fridays For Future Bewegung demonstrieren können. Außerdem sollen wir in den nächsten Jahren ein neues Schulgebäude bekommen und haben versucht uns aktiv in die Planung einzubringen. Schulintern hört man sich unsere Vorschläge und Wünsche mittlerweile an und bezieht uns in alle wichtigen Entscheidungen mit ein, aber in Gesprächen mit der Stadt wurde wieder einmal deutlich, dass man uns nicht ernst nimmt. Dabei sind wir es, die künftig bis zu neun Stunden am Tag, fünf Tage die Woche für viele Jahre in diesem Schulgebäude lernen und uns auf unseren Schulabschluss vorbereiten werden. Irgendwelche Politikerinnen und Politiker werden nicht einen Tag dort sein müssen.

Im Land konnten wir an der neuen Oberstufenverordnung mitwirken und so das neue Abitur mitgestalten oder aber unsere Wünsche bei der Überarbeitung des Schulgesetzes vortragen. Politikerinnen und Politikern oder der Bildungsministerin gegenüber zu sitzen ist schon was anderes als seine Anliegen „nur“ den Lehrerinnen und Lehrern vorzutragen. Wir sind als Landesschülerrat ein beratendes Gremium und können zu allen Verordnungen, die das Schulwesen betreffen, Stellung beziehen, aber beachten muss das niemand. Die Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium war in den vergangenen Jahren nicht so, wie wir es uns als Schülerinnen und Schüler gewünscht hätten, aber seit kurzem haben wir eine neue Bildungsministerin und die ersten Gespräche verliefen bereits sehr
gut. Ich wünsche mir eine viel engere Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium. Ich möchte öfter nach der Meinung der Schülerinnen und Schüler gefragt werden und ich erhoffe mir, dass unsere Ansichten dann auch berücksichtigt werden. Schließlich sind wir die Betroffenen und nicht irgendwelche Politikerinnen und Politiker, die ein
Klassenzimmer das letzte mal vor vierzig Jahren betreten haben.

OPENION:

Engagierst du dich auch außerhalb der Schule gesellschaftlich oder politisch und wie sieht dein Engagement hier konkret aus?

Josefine Birkholz:

Ja, ich bin vor kurzem der Parteijugend der SPD beigetreten und seit wenigen Wochen nun stellvertretende Vorsitzende der Jusos Mecklenburg-Vorpommern. Dort beschäftige ich mich vorwiegend mit Bildungs– und umweltpolitischen Themen, aber auch vielem anderen. Außerdem bin ich Mitinitiatorin der Fridays For Future Demonstrationen in meiner Heimatstadt und Mitglied im neu gegründeten Rat für Umwelt und Nachhaltigkeit MV. Dort beraten Jugendliche die Landesregierung zu umweltpolitischen Fragen.

OPENION:

Hast du durch deine Arbeit als Schülersprecherin Erfahrungen gemacht, die dir nun auch im außerschulischen Bereich nützen? Und wenn ja, welche sind das?

Josefine Birkholz:

Na klar habe ich ganz viel auch für mich gelernt. Man durchlebt eine unglaubliche Persönlichkeitsentwicklung. Ich habe gelernt mich für andere Menschen einzusetzen, meinen Standpunkt zu vertreten und für meine Anliegen zu kämpfen, vor großen Menschenmassen zu sprechen, ein Team zu leiten, aber auch im Team zu arbeiten. Ich bin viel selbstständiger geworden, weil ich zum Beispiel bereits im jungen Alter viel alleine gereist bin. Ich habe gelernt meine Zeit zu managen und Prioritäten zu setzen und natürlich lernt man ganz viel über politische Systeme, das politische Arbeiten und Demokratie. Außerdem findet man oft Freundinnen und Freunde fürs Leben. Ich war bei allem was ich gemacht habe immer die Jüngste. Ständig von Menschen umgeben zu sein, die um die fünf Jahre mehr Lebenserfahrung haben, prägt einen nicht nur politisch, sondern auch als jungen Menschen. Ich habe das Gefühl durch meine politische Arbeit sehr viel außerhalb des Klassenzimmers lernen zu können und Erfahrungen zu machen, die in der Schule niemals möglich gewesen wären.

OPENION:

Bitte vervollständige diesen Satz: Demokratie braucht...

Josefine Birkholz:

Demokratie braucht Bewusstsein. Demokratie braucht Bildung. Demokratie braucht offenen Dialog. Demokratie braucht Engagement. Und Demokratie braucht uns, die jungen Menschen. Für mich ist Demokratie nicht nur ein politisches System, es ist ein gesellschaftliches Konstrukt und ein unglaubliches Geschenk, was wir unbedingt behüten
müssen. Um Demokratie zu leben muss man nicht politisch aktiv werden. Sie taucht überall auf. In der Familie, im Freundeskreis, in der Schule und auf der Straße. Ich sehe jeden in der Pflicht seine Mitmenschen zu respektieren und offen und würdevoll mit ihnen zu kommunizieren. Sich die Meinungen seiner Mitmenschen anzuhören und diese zu
respektieren, das ist für mich Demokratie. Demokratie lebt von einem offenen Dialog und den gilt es zu fördern. Meine Generation nimmt die Demokratie manchmal vielleicht für selbstverständlich, aber das ist sie nicht und wir müssen für ihr Bestehen kämpfen. Jeder muss das tun zu jeder Zeit, in dem wir gegen Rassismus, Faschismus, Sexismus und jede
Art der Diskriminierung vorgehen und uns den Mund nicht verbieten lassen.