Gruppenfoto mit Jugendlichen, Politikern und der DKJS
OPENION startet zusammen mit Vertretern und Vertreterinnen der Landesministerien aus Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen, dem BMFSFJ sowie DeGeDe und Demokratisch Handeln und jungen Engagierte, (c) Piero Chiussi/DKJS

Kinder und Jugendliche als Gestalter ihrer Lebensräume

Das Programm OPENION bringt bundesweite über 200 Schulen mit außerschulischen Partnern zusammen, um gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen zeitgemäße Formen der Demokratiebildung zu erproben.

Jakob, Jurin, Leandra und Paula nehmen nicht einfach hin, was um sie herum geschieht. Sie wollen mitgestalten, etwas bewegen. Die vier Gymnasiasten aus Kassel engagieren sich in der Schülervertretung, bei schulischen Aktionen und politischen Projekten. „Es ist nicht leicht, die Schülerschaft zu erreichen. Am Ende sind es immer die gleichen Leute, die sich engagieren“, sagt die 16-jährige Paula und ihre Freunde nicken. Doch wie können möglichst viele Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, wirksam zu sein? Wie kann Demokratie erlernt und erlebt werden?

Am 8. Dezember 2017 hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung das bundesweite, vom Bundesfamilienministerium geförderte Projekt OPENION- Bildung für eine starke Demokratie gestartet. An über 200 Schulen sollen in Kooperation mit außerschulischen Partnern Projekte entstehen, in denen Kinder und Jugendliche zeitgemäße Formen der Demokratiebildung erproben. An Themen aus ihrer direkten Lebenswelt sollen sie Demokratie als einen Aushandlungs- und Gestaltungsprozess erleben.

Politische Bildung muss alle erreichen

„Wenn wir nicht alle etwas tun, um Demokratie zu erstreiten, dann werden wir sie nicht erhalten“, betont der Leiter der Abteilung Engagementpolitik im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Heiko Geue, zum Auftakt von OPENION die Bedeutung von politischer Bildung. Einige gesellschaftliche Entwicklungen seien besorgniserregend, etwa, wenn immer häufiger Menschen, die sich für Demokratie und Flüchtlinge einsetzten, beleidigt und eingeschüchtert würden. Umso wichtiger seien Programme wie OPENION. „Jugendliche müssen die Erfahrung machen, dass Demokratie viel mit ihrem Leben zu tun hat und dass sie etwas bewegen können“, so Geue. Langfristig müssten Demokratieförderung und Extremismusprävention zu einem festen Bestandteil der schulischen Bildung werden.

„Es gibt keinen Mangel an Projekten zur Demokratiebildung“, meint auch die Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Dr. Heike Kahl. Dennoch gelinge es bislang nicht, alle jungen Menschen zu erreichen.  „Wir müssen die Themen aufgreifen, die junge Leute wirklich bewegen“, so Kahl. OPENION setzt zudem darauf, von Anfang an alle Beteiligten miteinzubeziehen: Schulen, außerschulische Partner und die Landesregierungen, um nachhaltige, landesspezifische Lösung zu entwickeln.

Demokratische Bildung in die Schulen bringen

Tatsächlich sehen die Bildungsbehörden der Länder großen Handlungsbedarf. „Studien zu fremdenfeindlichen Ansichten bei Jugendlichen zeigen, dass unsere Schulen nicht ausreichend für ihre entscheidende Rolle in der politischen Bildung gewappnet sind“, beschreibt Ralf Seifert, Referent am Sächsischen Kultusministerium, die Lage in seinem Bundesland. So sei etwa das Thema Werteorientierung im Lehrplan bislang nur rudimentär enthalten.

Damit Demokratiebildung nicht auf das Fach „Politische Bildung“ beschränkt bleibt, sondern Teil einer gelebten Schulkultur wird, müssten die Landesregierungen auch die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, meint Michael Huesmann, Abteilungsleiter „Bildung“ bei der Senatorin für Kinder und Jugend in Bremen: „Wir können durch schulgesetzliche Regelungen Ermöglichungsstrukturen schaffen, damit Schüler ein Mitspracherecht erhalten. Und wir müssen die Bottom-Up-Impulse, die von Schülern und Lehrern kommen, aufnehmen.“

Denn bislang sind die Möglichkeiten zur Schülerbeteiligung von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Das wissen Jakob, Jurin, Leandra und Paula aus eigener Erfahrung. „Es gibt gute Schulen, in denen sitzen die Schüler mit in den verschiedenen Gremien und haben eine Stunde pro Woche frei für die Arbeit in der Schülervertretung“, sagt Jakob. „An anderen Schulen hat die SV nichts zu melden und jedes Schülerengagement wird von der Lehrerschaft sofort abgewürgt“, ergänzt Jurin.

Kritisches Denken lernen

Wie schwierig es ist, in einer Demokratie mit verschiedenen Meinungen umzugehen, wenn die Grenzen der Toleranz erreicht werden, macht ein Wortwechsel zwischen dem Aktivisten Ali Can und der Bloggerin Marina Weisband deutlich. „Pegida-Teilnehmer sehen in ihren Proteste eine Form der demokratischen Beteiligung: „Wir sind das Volk“, gibt Ali Can zu Bedenken, der das Gespräch sucht, ob auf Pegida-Demonstrationen, AfD-Veranstaltungen oder auf seiner „Hotline für besorgte Bürger“. „Ich kann kritische Gedankenprozesse in Gang bringen, wenn ich auf Augenhöhe mit Menschen spreche“, sagt Can. Dagegen will Weisband rechten Hass nicht mit Aufmerksamkeit belohnen: „Ich muss nicht mit jedem Nazi diskutieren. Wenn er denkt, dass ich verbrannt werden sollte, und ich denke das nicht - da gibt es keinen Kompromiss.“, die unter anderem mit dem Projekt „Aula“ an Schulen geht „Wir müssen Menschen aus der gefühlten Hilflosigkeit und der Konsumhaltung befreien. Wir müssen sie in die Vorstellung bringen, ich bin ein Gestalter.

Umso dringender brauchen Lehrkräfte Unterstützung, um mit den neuen Herausforderungen umzugehen. „Die Formate der Demokratiebildung haben sich sehr verändert. Entsprechend müssen wir unsere Lehrkräfte fortbilden, damit sie aktuell auf die Fragen der Schüler eingehen können, beispielweise das Stichwort: Hassmails“, gibt Regina Büttner, Referatsleiterin „Politische Bildung“ im Brandenburger Bildungsministerium, zu Bedenken.

So funktioniert OPENION

Um die Schulen, die bei OPENION mitmachen, mit ihren Fragen nicht allein zu lassen, organisiert das Projekt sowohl fachliche Beratung als auch Kooperationsdialoge zwischen Politik, Verwaltung und Praxis. So werden die relevanten Akteure aus den verschiedenen Bereichen im jeweiligen Bundesland miteinander vernetzt. Zudem setzt OPENION auf außerschulische Vereine und Initiativen, mit denen die Schulen Partnerschaften schließen.  „Viele Lehrkräfte sind beispielsweise unsicher, wieviel Haltung sie zeigen dürfen. Das können außerschulische Partner auffangen, die viel Erfahrung mit politischer Bildung haben“, erläutert Nina Cvetek, Projektleiterin von OPENION.

Fragt man Jakob, Jurin, Leandra und Paula, dann spielt bei vielen Mitschülern nicht zuletzt der hohe Leistungsdruck eine große Rolle. „Wir stecken derartig in der Mühle, wir fragen gar nicht mehr, warum wir etwas machen oder wie wir eigentlich leben wollen“, sagt Leandra über ihre Generation. Die vier Freunde machen trotzdem weiter. „Natürlich macht es nicht immer Spaß, sich jeden Mittwochabend zu treffen, um ein Projekt zu planen“, sagt Jakob. „Aber letztlich es geht darum, etwas zu bewegen.“

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