Teil eines Baumes, an dem Teilnehmende des OPENION-Bundeskongresses Schlagworte für die Demokratie anpinnen konnten
Foto: DKJS/ Jörg Farys

Was Partizipation mit Recyclingpapier und dem Schulalltag zu tun hat.

Clara Geißelbrecht ist Lehrerin am Konrad Adenauer Gymnasium in Kleve und begleitet das OPENION-Projekt „Train Kids“. Im Interview erzählt sie, wie Partizipation im Kleinen und Großen gelingen kann und warum Offenheit und Neugier auf allen Seiten grundlegend ist.

 

OPENION:

Wie ermöglichen Sie im Kollegium Partizipation?

Clara Geißelbrecht:

Vorweg muss ich einmal sagen: Ich bin noch nicht so lange an unserer Schule. Wir haben jetzt bald eine Projektwoche – um ein Beispiel zu nennen – und da werde ich mit einem Kollegen zusammen die Projektgruppe „Mehr Demokratie wagen“ durchführen. Zurzeit ist bei uns ein Schulneubau geplant. Uns geht es nun darum, dass wir mit den Schülerinnen und Schülern konkret schauen, welche Partizipationsmöglichkeiten sie haben, um an dem Neubau oder generell am Schulalltag aktiv mitzuwirken. Ich habe auch von vielen gehört, dass sie zum Beispiel über unser Papier diskutieren. Sie fragen sich, warum wir kein Recyclingpapier nutzen und an wen sie sich bei solchen Fragen wenden können. Bei solchen Punkten möchten wir schauen, wie Schülerinnen und Schüler vielleicht auch selbst den Schulalltag und das Schulleben mitgestalten können. Wir wollen herausfinden, was für Möglichkeiten sie selbst sehen und welche Möglichkeiten sie gerne hätten. Das Recyclingpapier wäre jetzt ein konkretes Beispiel.

OPENION:

Da Sie gerade gesagt haben, dass Sie noch sehr neu im Beruf sind: Was für eine Rolle hat Partizipation in Ihrer Lehrerinnenausbildung gespielt?

Clara Geißelbrecht:

Das war unterschiedlich. Ich habe Sozialwissenschaften und Deutsch studiert. Im Fach Deutsch war es kein prominentes Thema; in den Sozialwissenschaften dagegen schon. Wir haben viel darüber gesprochen, wie man Schülerinnen und Schüler mit einbeziehen und ihnen Gestaltungsmöglichkeiten geben kann. Handlungsorientierung ist hier ein wichtiges Stichwort. Wir haben darüber gesprochen, wie man Schülerinnen und Schülern das Gefühl nehmen kann, sie bekämen einfach etwas von oben aufgedrückt und jemand sagt, wo es langgeht. Wir möchten stattdessen sagen: „Hey, wir möchten wissen, wie ihr es gerne hättet. Wir wollen auch, dass ihr eure Schule mitgestaltet.“ Wir möchten Schülerinnen und Schülern ja auch Spaß an der Schule vermitteln.

OPENION:

Welche Voraussetzungen muss es aus Ihrer Sicht an Schule geben, damit Partizipation gelingen kann?

Clara Geißelbrecht:

Offenheit seitens des Kollegiums und der Schulleitung ist sehr wichtig. Aber Offenheit sollte auch bei den Schülerinnen und Schülern vorhanden sein. Sie müssen auch Lust haben, Schule mitzugestalten und offen für neue Ansätze und Ideen sein. Das ist meiner Meinung nach eine wichtige Voraussetzung. Man muss Interesse daran haben, etwas mitzugestalten. Das ist aber meiner Meinung nach auch normal bzw. es ist sowieso ein natürliches Interesse des Menschen, sein Umfeld mitzugestalten.

OPENION:

Und was ist aus Ihrer Sicht gelungene Partizipation?

Clara Geißelbrecht:

Ich würde es als gelungene Partizipation bezeichnen, wenn man es schafft, eine Idee gemeinsam erfolgreich umzusetzen. Ich glaube, das ist dann auch für die Schülerinnen und Schüler ein großartiges Ergebnis. Wenn man so wie bei uns die Idee hat, den Schulbau gemeinsam zu planen, dann haben Schülerinnen und Schüler gewisse Vorstellungen. Dann wird die Schule neu gebaut und sie können sehen, dass ihre Ideen wirklich umgesetzt werden: was sie sich vorgestellt haben, was sie geplant haben, woran sie beteiligt waren. Das ist sehr wichtig. Andersherum ist es sehr frustrierend, wenn man viel Arbeit in etwas gesteckt und viel gemacht hat und am Ende hört doch niemand darauf bzw. es wird doch anders gemacht. Das ist dann Scheinpartizipation.

OPENION:

Was kann Partizipation an Schule erreichen oder bewirken? Wird Schule dadurch zu einem besseren Ort?

Clara Geißelbrecht:

Ich glaube, dass das Schulklima einfach viel positiver ist. Die Schülerinnen und Schüler denken dann nicht mehr: „Ich muss hier hin, obwohl ich so viele Sachen doof finde und es eigentlich nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle.“ Sie kommen stattdessen in die Schule und sagen: „Cool: Das wird umgesetzt. Das gefällt mir. Hier fühle ich mich wohl und werde gehört. Hier habe ich eine Stimme.“

OPENION:

Gibt es typische Herausforderungen, wenn man Partizipation an der Schule umsetzen und mit Kindern und Jugendlichen gemeinsam arbeiten möchte? Gibt es Hürden?

Clara Geißelbrecht:

Eine typische Herausforderung ist, dass es oft sehr unterschiedliche Meinungen gibt, wenn viele Menschen aufeinandertreffen. Es ist zum Beispiel schwierig, mit 700 Schülerinnen und Schülern einen Neubau zu planen. Es werden enorm viele Meinungen aufeinanderprallen. Da muss man dann schauen, wie man das löst und das Ergebnis möglichst repräsentativ für die Gruppe ist. Die Frage ist dann, wie man es hinbekommt, dass das Ergebnis ein guter Kompromiss für alle wird.